Warum schminken sich Frauen und nicht Männer?
Warum schminken sich Frauen und nicht Männer? Dabei haben sich Männer genauso wie Frauen lange Zeit geschminkt. Wann haben Männer also aufgehört sich zu schminken? Wann und warum wurde Make-up zur “Frauensache”? Und wird Make-up für Männer zum nächsten großen Beauty Trend? Wir unternehmen eine Zeitreise durch die Geschichte des Schminkens von erster Körperbemalung bis zum Hashtag #makeuphasnogender.
Die Frage sollte eigentlich viel mehr lauten: Warum schminken sich NUR NOCH Frauen und Männer sich NICHT MEHR? Denn ja es gab eine Zeit, eine sehr lange sogar, da war es vollkommen normal, dass Männer und Frauen sich schminken. Dass Make-up etwas typisch weibliches ist, ist ein relativ junges Phänomen, das wir der Industrialisierung zu verdanken haben. Allerdings auch ein Phänomen, das ganz langsam zu bröckeln beginnt. Quasi wie alte vertrocknete Mascara, die endgültig entsorgt werden sollte. So wird es auch für dieses Klischee Zeit zu gehen. Werfen wir einen Blick auf die ungeschminkte Wahrheit: Warum schminken Menschen sich überhaupt? Warum schminken sich vor allem Frauen? Warum schminken Männer sich nicht? Die Antworten liegen in der Make-up-Geschichte. Indem wir einige Zeitsprünge zurück wagen können wir uns selbst erklären, wie es zum heutigen Gesellschaftsbild rund um Make-up kam. Vom ersten Eyeliner für Männer bis hin zum Hashtag #Makeuphasnogender.
Warum schminken sich die Menschen?
Um zu schummeln. Make-up schafft optische Täuschungen. Makel werden versteckt und dafür Vorzüge betont. Pickel und Augenringe abdecken, Wimpern optisch verlängern, den Teint ebnen, die Brauen auffüllen und die Wangen rosig frisch schminken, das alles und noch mehr geht mit Make-up (und den richtigen Tricks). Heißt im Umkehrschluss: Hätten wir nichts zu verbergen, würden wir uns nicht schminken. Oder?
Fakten über Make-up
Make-up, Schminke, also dekorative Kosmetik, die nicht in erster Linie der Pflege, sondern der optischen Gestaltung des Gesichts und des Körpers dient, ist so alt wie die Menschheit selbst. Sogar als der Mensch noch als Jäger und Sammler lebte, hegte er schon den Drang zur Selbstdarstellung in sich. Auch wenn die Bemalung von Gesicht, Körper und Haaren damals nicht zur täglichen Beauty Routine gehörte, sondern eher für Rituale angewandt wurde, so gab es schon 50.000 v. Chr eine frühe Form des Schminkens. Hätten Neandertaler die Möglichkeit gehabt ihren Look mit der ganzen Welt zu teilen, sie hätten es wahrscheinlich getan. Immerhin haben sie für uns Spuren in Form von Malereien, bemalten Figuren und den Überresten Ihrer Beauty Tools hinterlassen.
Die Menschen der darauf folgenden Epochen taten es ihnen nach. Das faszinierende daran: Überall auf der Welt, in jedem Kulturkreis, unabhängig von Ort, Zeit, Religion oder politischer Lage, gab es eine Form der Körperbemalung. Make-up war immer da. Was sich allerdings immer wieder veränderte war der Grund warum Menschen sich schminken, welche Menschen sich schminken und natürliche wie und womit Menschen sich schminken. Make-up konnte früher als Schutz, Maske oder als Signal der Zugehörigkeit getragen werden, aus religiösen oder spirituellen Gründen. In manchen Kulturkreisen ist dies heute noch so. In vielen asiatischen Kulturen schminken sich sowohl Männer als auch Frauen aus eben diesen Gründen.
In der modernen westlichen Welt dient Make-up zum einen als Ausdruck für Kreativität, zur Darstellung der eigenen Persönlichkeit und als Schmuck. Zum anderen aber auch um Makel zu verstecken, einem perfekten unrealistischen Kult nachzueifern und um westlichen Schönheitsidealen zu entsprechen. Der Grat dazwischen ist so schmal wie die perfekt konturierte Nase von Beauty Influencer James Charles.
Make-up konnte oder kann als Zeichen der Zugehörigkeit getragen werden. Der eigene Volksstamm, die eigenen Religion, die soziale Gesellschaftsschicht, der eigene Musikgeschmack oder eine politische Überzeugung können mit Make-up nach außen getragen werden. Zugehörigkeit für die einen bedeutet aber immer auch Abgrenzung zu den anderen. So grenzen sich kleine Kreise und Gruppierungen mit den für sie typischen Looks ab. So grenzen sich aber auch Frauen von Männern ab.
Warum schminken sich Frauen?
Wir haben es eingangs bereits kurz und provokant formuliert: Schminken ist tricksen. Frauen schminken sich um Makel zu verstecken oder zumindest zu kaschieren und davon abzulenken, während sie ihre Vorzüge betonen. Was als Makel und was hingegen als betonenswerter Vorzug gilt ist dabei von dem Schönheitsbild des eigenen Kulturkreises vorgegeben und gesellschaftlich anerzogen. Würde man Kleinkinder aus verschiedenen Ländern und Ecken der Welt fragen was sie an sich nicht schön finden, würden die meisten wohl unabhängig von Sprache, Hautfarbe, Herkunft, Kultur und Religion kam einen Fehler an sich entdecken. Würde man erwachsenen Frauen aus unterschiedlichen Kulturen und Ländern die gleiche Frage stellen, hätten die meisten wohl eine lange Liste an verbesserungswürdigen Punkten parat. Doch sie würden sich in ihren Idealvorstellungen je nach Herkunft und gesellschaftlichem Hintergrund extrem unterscheiden.
Die Jagd nach einem Schönheitsideal ist also ein großer, schwerwiegender Punkt der Frauen dazu treibt, sich zu schminken. Doch das ist nicht alles. Das wäre zu einfach. Hinter der Fasade aus abdeckendem Concealer und kaschierendem Contouring steckt noch mehr. Nämlich die kreative, bunte, schöne Seite von Make-up.
Das eigene Selbstbild ist wesentlich komplexer und so auch unsere Wahrnehmung von Schönheit. Denn Überraschung: Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Dabei kann ich auch selbst der Betrachter sein, der meine eigene Schönheit sieht. Ja Frauen sind selbstkritisch. Kein Wunder bei allem was von ihnen verlangt wird, um “schön” zu sein. Aber Frauen sind auch selbstbewusst und stark. Kein Wunder, wenn man sich anschaut wie schön sie sind. Würden wir nun nochmals die oben genannten Frauen fragen, was sie an sich selbst mögen und schön finden, dann hätten sie auch dazu mit großer Wahrscheinlichkeit eine Liste an Punkten parat. Und wiederum würden unterschiedliche Persönlichkeiten mit unterschiedlicher Herkunft, ganz andere Schönheitsmerkmale aufzählen.
Aber Make-up ist noch mehr. Dem fertigen Look geht der Prozess des Schminkens voran. Ein kleines Ritual, das zugegeben manchmal stressig, aber oft auch sehr angenehm und sogar entspannend sein kann. Wir betrachten uns ganz ausgiebig im Spiegel, wir setzen uns intensiv mit uns selbst auseinander und berühren unser Gesicht mit Fingern, Pinseln und Schwämmchen. Dieser Vorgang kann etwas sehr intimes sein. Morgens gehört der Vorgang zu einer Routine, die auf den Tag vorbereitet, vor großen Anlässen steigert sich dadurch die Vorfreude, alleine kann der Moment fast meditativ sein, in der Gruppe schweißt es irgendwie zusammen.
Schließlich ist es auch eine Frage der Einstellung und im Grunde eine simple eigene Entscheidung, warum sich Frauen schminken. Tun sie es, um ihren eigenen Look zu kreieren, ihrer Kreativität und Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen und um sich selbst zu feiern, dann führt dies zu einem ganz anderen Verständnis für Make-up, als wenn sie sich nur schminken, um zu verstecken und zu kaschieren und um anderen zu gefallen. Make-up als Ventil und Ausdruck, quasi als äußerer Spiegel der inneren Emotionen, Ideen und Gedanken ist etwas großartiges und kraftvolles.
Gleichzeitig hat die Geschichte des Make-ups wesentlich zum heutigen gesellschaftlichen Standpunkt von Schminke beigetragen. (Mehr dazu gleich.) Im Laufe der Zeit wurde Make-up typisch weiblich, zumindest in unserem westlichen Verständnis. Auch typisch weiblich, zumindest in unserem westlichen Verständnis, ist ängstlich, schwach, hilfsbedürftig, naiv und emotional sein. Wer genau so nicht wirken will der versucht also, möglichst nicht weiblich zu sein. Ein viel zu einfacher und direkter Umkehrschluss der im Grunde nicht funktioniert. Denn natürlich sind Frauen vollkommen unabhängig von Schminke stark, mutig, klug und unabhängig. Inzwischen hat sich das Klischee-Bild der Feministin, die demonstrativ ungeschminkt und unrasiert ist, wieder gelegt und ist nur noch in den Köpfen derer zu finden, die aus Bequemlichkeit und Angst gerne in Schubladen denken.
Rund um den Make-up-Look und den Vorgang des Schminkens gibt es noch einen weiteren Aspekt der mitbestimmt warum Frauen sich schminken. Nämlich über Make-up und Schminktipps zu sprechen. Der Austausch und das Gespräch rund um Schönheit, Schminke, Selbstliebe, Pflege, Trends und ja auch Tricks ist nicht zu unterschätzen. Schließlich ist es unser täglich Brot euch hier über all things Beauty zu informieren und auf dem Laufenden zu halten. Im Gespräch zwischen Freundinnen schafft man Vertrauen und Zusammenhalt, mit uns über diese Website und ähnliche Kanäle fördern wir gegenseitig unsere Kreativität und liefern uns Ideenimpulse.
Die Antwort auf die Frage: Warum schminken sich Frauen?, ist also sehr komplex. Jede Frau kann ihre eigenen Beweggründe haben, die manchmal tatsächlich aus sehr viel Druck und Unsicherheit entstehen in vielen Fällen aber auch aus Selbstliebe und Kreativität geboren werden. Nun aber die entscheidende Frage: Würden all diese Gründe nicht eigentlich auch auf Männer, ja auf Menschen im Allgemeinen, zutreffen?
Make-up Geschichte: Als Männer Make-up noch normal war
Wir haben es bereits kurz angerissen: Die ersten Menschen haben sich in gewisser Weise schon geschminkt. Muschelschalen, die als Schminktöpfchen verwendet wurden und Höhlenmalereien, die Hautverzierungen zeigen lassen darauf schließen, dass auch Neandertaler vor 50.000 Jahren ihr eigenes Make-up trugen, ganz unabhängig von ihrem Geschlecht. Während damals die Körperzierde wahrscheinlich noch zu spirituellen Zwecken, Kulten und Ritualen genutzt wurde, kommt das Make-up der alten Ägypter unserem heutigen Verständnis für Schminke schon erstaunlich nahe. Sowohl männlich als auch weibliche Ägypter trugen Augenmakeup. Grüner oder schwarzer Eyeliner sollte als Schutz vor der intensiven Sonnenbestrahlung dienen. Hatten aber auch religiöse Hintergründe, wie die Rezepte zur Herstellung von Schminke aus antiken ägyptischen Tempeln zeigen. Zudem gab es schon Rouge für rosige Wangen und Farbe für die Lippen. Römer und Römerinnen ließen sich von griechischen Schminkritualen inspirieren und stellten Mascara aus gebranntem Kork her. Auf ihren Eroberungszügen trugen sie Rezepte und Produkte durch ganz Europa und verbreiteten ihr Wissen. Gleichzeitig tat sich langsam aber sicher die kosmetische Kluft zwischen Mann und Frau auf. Im Mittelalter und an der Schwelle zur beginnenden Neuzeit war Make-up vor allem Luxus und nur den absoluten obersten Schichten vorbehalten. In den Königshäusern Europas residierten kreideweiß geschminkte Gesichter. Wobei aber sowohl Männer als auch Frauen dem Schönheitsideal der noblen Blässe nacheifern. In der Renaissance trugen beide Geschlechter Rouge, rote Lippenfarbe und Schönheitspflästerchen, also kleine Flecken aus Leder, Seide oder Samt, die wie Muttermale im Gesicht klebten. Immer noch vorausgesetzt, man konnte sich diesen Luxus leisten. Bis hinein ins 18. Jahrhundert wollten reichen Menschen blass sein, mit roten Lippen und dick gepuderten Haaren. Bis hierhin achtete man übrigens auch nicht auf die Hautverträglichkeit und die möglichen Gesundheitsschäden von Make-up.
Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt man Kosmetika auf mögliche Gesundheitsfolgen zu testen, schließt Inhaltsstoffe nach dem damals aktuellen Wissensstand aus und entwickelt neue Rezepte. Der Lippenstift wird erfunden. Die Erfindung von Mascara ist ein absoluter Durchbruch. Umso mehr neue Produkte entstehen, desto mehr wird dekorative Kosmetik zu einem Markt der Geld bringt. Nämlich einer der richtig viel Geld bringt. Vor allem wenn man die Produkte an alle Schichten der Gesellschaft verkauft. Die Make-up Industrie hat es vor allem auf Frauen abgesehen. Die damals vorherrschenden Geschlechterrollen führen dazu, dass sich schon bald die endgültige Grenze zwischen geschminkten Frauen und ungeschminkten Männern zieht. Abgesehen von einigen wenigen Schauspielern und Rockstars, die provokantes auffälliges Make-up tragen. Männern wird erklärt wie eine schöne Frau aussieht und Frauen wird erklärt, wie sie zu dieser Frau werden können. Boom, die Kosmetikindustrie ist geboren. Sie propagiert Schönheitsideale, pusht den Wunsch nach Selbstoptimierung und trennt dabei ganz eindeutig Männer von Frauen.
Gar nicht mal zu clever, wenn man bedenkt, dass man Schminke auch an einen kaufkräftigen männlichen Kunden hätte verkaufen können. So shoppte damals aber nur die Frau ihre kosmetischen Hilfsmittelchen, meist mit dem Geld ihres Mannes, um eben diesem zu gefallen.
#makeuphasnogender: Darum ist Schminken “kein Frauending”
Seitdem hat sich einiges getan. Genauso wie Augenbrauen mal dünn, mal dick getragen wurden, rasiert und gemicrobladet wurden, so wie Trends und Looks sich im Laufe der Zeit verändert und entwickelt haben, so haben es auch Geschlechterrollen getan.
Männer schminken sich wieder. Menschen schminken sich. Geschlechter und Sexualität spielen dabei zwar immer noch eine Rolle und immer noch stehen Frauen im Fokus der Kosmetikindustrie, aber ein Stein scheint ins Rollen gekommen zu sein.
Make-up ist inklusiver geworden. Inklusiver für alle Geschlechter. Übrigens auch für alle Hauttypen. Social Media sei dank verbreiten sich derartige Bewegungen heutzutage wesentlich schneller. Stimmen und Statements können lauter sein. Wünsche und Bedürfnisse dürfen geäußert werden. Bekannte Gesichter wie das von Lil Nas X können mutig vorangehen und ihren vielen Anhänger:innen und Nachahmer:innen den Weg ebnen.
Hashtags wie #makeuphasnogender zeigen deutlich wie das Verlangen nach Gleichberechtigung immer größer wird. Natürlich haben auch Männer das Bedürfnis sich auszudrücken. Auch Männer mögen Farben, haben einen Sinn für Ästhetik, sind kreativ und haben Spaß daran ihren eigenen Look zu finden. Nicht alle Männer, aber auch nicht alle Frauen brauchen und nutzen dafür Make-up. Entscheidend ist, dass Menschen, die Make-up nutzen wollen, aus welchem Grund auch immer, die Freiheit haben sich schminken zu dürfen, ohne dafür ausgegrenzt, abgestempelt, kritisiert oder gar beschimpft und angefeindet zu werden.
Make-up für Männer: der neue Trend in der Kosmetikbranche?
Zu sagen, dass Make-up für Männer ein Trend ist, würde implizieren, dass die Bewegung irgendwann wieder abklingt und vergeht. Vielleicht um wieder zu kommen, vielleicht aber auch nicht.
Wünschenswert wäre vielmehr, dass Menschen, schließlich gibt es mehr als nur Mann und Frau, sich in Zukunft selbstbestimmter darstellen dürfen. Alle Geschlechterrollen sollten sich von gesellschaftlichem Druck und ihren auferlegten Schönheitsidealen befreien können. Jeder darf sich selbst so zeigen und stylen wie es ihm:ihr am besten gefällt, ohne, dass sich jemand anderes davon gestört fühlt.
Der Weg dorthin in dieses Schlaraffenland der Selbstakzeptanz scheint noch recht lange zu sein. Stehen wir doch noch ganz am Anfang wo selbst ein Lippenstifttragender Mann noch als Schocker durchgeht. Andererseits bewegen wir uns mit immer größeren gesellschaftlichen Schritten, machen Entwicklungssprünge, die einst noch Jahrhunderte gedauert haben in wenigen Jahren durch und haben gelernt Bedürfnisse zu äußern und zu akzeptieren. Also wer weiß. Vielleicht ist Make-up für jede:n ganz bald ganz schön normal.