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Migräne ist viel mehr als einfach nur Kopfschmerzen. Je nach Ausprägung kommen weitere Symptome wie Übelkeit bis hin zum Übergeben, extreme Licht-, Lärm- und Geruchsempfindlichkeit, sowie Seh- und Sprachstörungen hinzu. Die Kopfschmerzen und Beschwerden scheinen oft aus dem Nichts zu kommen oder werden im Alltag durch äußere Reize getriggert.

Der aktuelle Forschungsstand zur Krankheit ist noch recht dünn, so kann man die Ursachen und Abläufe im Körper bei Migräneattacken noch nicht konkret bestimmen. Die Komplexität der Krankheit und die teilweise unberechenbaren Wellen an Kopfschmerzen treiben viele Betroffene dazu, nach alternativen Behandlungsmethoden zu suchen, welche die Symptome nicht nur lindern, sondern vor allem vorbeugen sollen.

Eine solche Methode ist das Migräne-Piercing. Online und in Migräne-Kreisen tauchen immer mehr Erfahrungsberichte auf, die beschrieben, wie ein Piercing im Ohr bei Migränebeschwerden helfen soll. Was steckt dahinter?

Wie entsteht Migräne?
Wie entsteht Migräne? Was hat ein Daith Piercing damit zu tun? Hier findet ihr die Fakten! © AaronAmat

Was ist ein Migräne-Piercing?

Ein Ohrpiercing gegen Migräne, das an der richtigen Stelle am Ohr platziert wird, soll Migräneattacken in ihrer Häufigkeit reduzieren. Die Theorie, die dahinter steckt, stützt sich auf die traditionelle Akupunktur. Sie arbeitet ebenfalls mit Nadeln, um Reize zu setzen und schließlich Energien im Körper zu beeinflussen und zu lenken. Das Ohrpiercing ganz ähnlich funktionieren. Quasi wie eine permanent platzierte Akupunkturnadel. 

Der Akupunkturpunkt gegen Migräne soll auf der kleinen knorpeligen Falte in der Ohrmuschel, der Crus Helix, direkt über dem Gehörgang liegen. An dieser Stelle des Ohrknorpels kreuzt der Vagusnerv, weshalb der Spot als Akupunktur-Druckpunkt gegen Migräne genutzt wird. Hier wird der Ohrstecker gegen Migräne platziert, der die Migräneattacken lindern soll. In besonders extremen Fällen können auch zwei Piercings, also an jedem Ohr eins gestochen werden.

Das Migräne-Piercing wird häufig auch Daith-Piercing genannt. Die Bezeichnung "Daith" leitet sich vom hebräischen Wort "da-at", das übersetzt Wissen bedeutet. 

Daith Piercing zur Migräne Behandlung?

Kann ein Piercing überhaupt gegen Migräne helfen? Und wenn ja, wie kann ein Piercing bei Migräne helfen?

Migräne Piercing beruht auf der Grundlage der Akupunktur, bei der das Qi beeinflusst werden soll. Nach der jahrtausendealten Lehre soll der Stech-Reiz mit der Nadel Schmerzen lindern und Krankheiten heilen, indem man so Energieflüsse korrigiert.

Die Stichstelle am Ohrknorpel wird in der Akupunktur schon seit Jahrtausenden eingesetzt, um Migräne zu behandeln. Dafür muss aber die richtige Stelle zielsicher getroffen werden. Nun soll der permanent platzierte Ohrstecker andauernden Druck auf die Stelle ausüben und so gegen Migräne helfen.

Außerdem soll das Ohrpiercing durch die Stimulation des Vagusnervs das Empfinden und die Weiterleitung von Schmerzsignalen im Körper und die Reizbarkeit der Hirnrinde beeinflussen. Doch machen wir uns erst einmal klar, was bei Migräne im Körper passiert.

Ursachen von Migräne

Migräne ist eine chronische, neurologische Erkrankung, die sich durch heftige Kopfschmerzen äußert, meist begleitet von Übelkeit, Licht-, Lärm- und Geruchsempfindlichkeit. In vielen Fällen können weitere Symptome wie Augenflimmern, Fühl- oder Wortfindungsstörungen auftreten. Expert:innen bezeichnen diese Fälle als Migräne mit Aura. So unterschiedlich jede Migräneattacke sein kann, so verschieden sind auch die einzelnen Fälle der Betroffenen. Die komplexen Prozesse, die bei einer Migräneattacke im Körper und im Gehirn vor sich gehen, sind noch nicht vollständig erforscht. Forscher vermuten jedoch eine genetische Veränderung als Ursache für eine Stoffwechselstörung in Hirnzellen, die den typischen Migränekopfschmerz auslöst.

Diese Reaktionen werden durch Trigger aktiviert und reagieren auf innere und äußere Reize sehr empfindlich. Die Auslöser von Migräne sind nicht immer leicht zu erkennen und einzuordnen, aber besonders wichtig, da Betroffene die Häufigkeit ihrer Attacken senken können. In den meisten Fällen führt die Kombination mehrerer Triggerfaktoren zur Migräneattacke.

Ursachen von Migräne
Heftige Kopfschmerzen, die auf eine chronische neurologische Erkrankung zurückzuführen sind – ja, wir sprechen von Migräne! Was dagegen hilft, verraten wir euch hier. © nikkimeel

Klassische Trigger und nachgewiesene Migräneauslöser sind:

  • Stress
  • hormonelle Schwankungen (vor allem bei menstruierenden Menschen)
  • ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus
  • Schlafmangel
  • zu wenig Flüssigkeitsaufnahme
  • zu wenig Nahrungsaufnahme
  • unregelmäßige Mahlzeiten
  • gewisse Medikamente
  • möglicherweise bestimmte Nahrungsmittel

Diese Wirkung wird dem Migräne-Piercing nachgesagt

Das Daith-Piercing oder Migräne Piercing eine der Behandlungen oder Therapiemethoden, welche viele der Betroffene wählen, wenn Alternativen nicht die gewünschten Ergebnisse bringen. Erfahrungsberichte beschreiben, dass Betroffene nach dem Stechen weniger häufig Migräneattacken haben oder die Schmerzen und Nebenwirkungen weniger schwer ausfallen. Allerdings kann niemand behaupten, dass die Migräne nach dem Piercing ganz verschwindet. 

Aus medizinischer Sicht lässt sich das Daith-Piercing allerdings nicht als nachweislich wirkungsvolle Methode einstufen. Es gibt keine Studien, welche die Wirkung ausreichend belegen würden. Somit wird es nicht als medizinisches Heilmittel anerkannt, sondern ist lediglich eine Behandlungsmethode, die in Migräne-Kreisen wegen der positiven Erfahrungsberichte weitergetragen und empfohlen wird. 

Ärzte und Migräne-Expert:innen vermuten dahinter einen Placeboeffekt. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft riet Betroffenen in einem offiziellen Statement sogar dringend vom Migräne-Piercing ab. Die gesundheitlichen Risiken und möglichen Nebenwirkungen des Piercings sind zu groß, da an Piercings durch Knorpelgewebe wesentlich komplizierter sind, langsamer heilen und anfälliger für Infektionen sind als an Körperstellen mit weichem Gewebe.

Lest hier: Hilft Botox gegen Migräne?

Das sagt die Forschung zu Migräne Piercings

Aktuell wird intensiv an der Wirkung des Daith-Piercings geforscht. Bisher gibt es noch keine aussagekräftige Studie, die den Effekt des Daith-Piercings belegt. Die positiven Erfahrungsberichte werden meist einem Placebo-Effekt zugeschrieben.

Mediziner:innen und Forscher:innen erklären, dass ein Piercing sich deutlich von einer Akupunkturnadel unterscheidet. Anders als bei der Akupunkturbehandlung geht vom Piercing ein Dauerreiz aus, gegen den der Körper abstumpft. Selbst wenn die Wirkung also kurzfristig da wäre, würde sie mit der Zeit verschwinden. Um die Wirkung der Akupunktur zu imitieren, müsste man außerdem die richtige Stelle am Ohr zielsicher treffen, das Piercing müsste also eine geschulte Akupunktur-Fachkraft stechen.

Das vermeintliche Anti-Migräne-Piercing bringt zu viele Risiken und mögliche Nebenwirkungen mit sich:

  • Infektionen wie Hepatitis C oder Hepatitis B
  • Blutungen
  • Narben
  • allergische Reaktionen
  • Hautentzündungen
  • verzögerte Wundheilung
Piercing stechen lassen: Daith Piercing
Migräneattacken mit einem Piercing behandeln – oder gar unterdrücken? Die Antworten auf diese und weitere Fragen zum Thema „Daith Piercing gegen Migräne“ findet ihr im Beauty-Artikel. © stefanamer

Eine aktuelle Studie beschäftigt sich mit der tatsächlichen Wirkung des Migräne-Piercings.

In der Studie wird untersucht, ob überhaupt und wie Ohrpiercings die Häufigkeit, Dauer und Stärke von Migräneattacken beeinflussen können. Da diese Studie aktuell noch läuft, können daraus noch keine Erkenntnisse gezogen werden. 

Neben dem skeptisch betrachteten Piercing gibt es zahlreiche weitere Methoden, die von Forscher:innen und Expert:innen empfohlen werden.

Forscher sagen: Ein Daith Piercing hilft bei Migräne
Forscher schwören auf ein Daith Piercing. Findet heraus, wie dieses Schmuckstück im Ohr Migräneattacken lindern kann. © LumiNola

Sanfte Alternativen zu einem Migräne Piercing

Wir haben die gängigsten alternativen Behandlungsmethoden zusammengefasst, die ausreichend erforscht und medizinisch anerkannt sind.

  • Akupunktur

Es gibt mehrere Studien, welche die Wirkung von Akupunktur am Ohr und am Körper gegen Migräne belegen. Sie wird sogar mindestens genauso wirksam eingestuft wie die medikamentöse Prophylaxe. Nach der Lehre der traditionellen chinesischen Medizin kann Akupunktur episodisch auftretende Migräneattacken lindern und vorbeugen. 

  • Ohrakupunktur oder Aurikulotherapie

Ohrakupunktur ist ein spezielles Teilgebiet der Akupunktur. Während der Behandlung werden verschiedene Druckstellen am Ohr genutzt und mit Nadeln, Samen oder den eigenen Fingern gereizt, um Migräne zu behandeln. Die Reize sollen sich auf das zentrale Nervensystem auswirken. Die im Ohr liegenden Nerven, wie der Trigeminusnerv, Vagusnerv und das obere Halsgeflecht sind das Ziel der Behandlung, da sie nachweislich in Zusammenhang mit Migräne gebracht werden können.

  • Meditation

Achtsamkeitsmeditation konnte schon durch einige Studien als hilfreiche Methode bei Migräne belegt werden. Durch Meditation können Patient:innen vor allem die Schmerzintensität reduzieren. Häufig wird auch Yoga in Verbindung mit Meditation empfohlen.

  • Biofeedback

Biofeedback soll vor allem besonders effektiv in der Migränevorbeugung sein. Ziel ist es, dass Patient:innen die Prozesse des Körpers bewusst zu steuern lernen. Was gerade vor der Migräneattacke ansonsten unbemerkt im Körper abläuft, wird so kontrolliert und die Häufigkeit der Migränewellen deutlich reduziert.

Unser Fazit zum Ohrpiercing gegen Migräne

Da dem Piercing bisher noch keine ausreichend erforschte Wirkung zugeschrieben werden konnte, bleibt es vorerst eben nur das, was es schon immer war: nämlich Ohrschmuck. Aus medizinischer Sicht kann das Piercing aber tatsächlich schaden. Denn die Stelle am Crus Helix Knorpel ist keine unkomplizierte Stelle für Piercing-Schmuck. Piercings, die durch das Knorpelgewebe gestochen werden, heilen in der Regel langsamer und schwieriger als solche, die durch weiches und gut durchblutetes Gewebe gestochen werden.

Grundsätzlich muss natürlich immer in sicheren und sterilen Umgebungen gepierct werden und von lizenzierten Piercer:in, was das Risiko, dass Komplikationen auftreten könnten reduziert. Trotzdem können diese nie ganz ausgeschlossen werden. Wer sich also Piercen lassen möchte, sei es auch ästhetischen Gründen, oder in der Hoffnung dadurch Migräne lindern zu können, der sollte dies im Kopf behalten.

Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte auf alternative, medizinisch anerkannte Bahandlungsformen wie Akupunktur, Meditation oder Biofeedback setzen.

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